Knorkator – Rette sich wer kann
Die Gründung der selbsternannten „meisten Band der Welt“ datiert auf das Jahr 1994 und sieht man sich den Werdegang und ihren ersten offiziellen Plattenvertrag (1997 bei Rodrec) an, kann dies wie viele ihrer Texte, nicht ohne ein Grinsen getan werden. Entdeckt und erstmalig unter Vertrag genommen wurden sie nämlich von niemand geringerem als Rod Gonzales (Bassist der „besten Band der Welt“ – Die Ärzte). Doch zurück zu Stumpen, Alf Ator und ihren knorken Kollegen aus Berlin…
Deutschlandweite Bekanntheit erlangte die Band als sie neben Stefan Raab, Lotto King Karl und weiteren bekannten und unbekannten Größen der Musikbranche im Jahr 2000 zum Vorentscheid zum Eurovision Song Contest antrat und dort mit ihrem Song „Ick wer zun Schwein“ den vierten Platz belegte.
Musikalisch sind Knorkator durch ihren Mix aus melodischen Passagen und härteren Songabschnitten die gerne zwischen Neuer Deutscher Härte, Deutschrock und auch Punk wechseln nur schwer einzuordnen, machen dadurch aber auch einen Großteil ihrer Faszination aus. Gepaart mit häufig ironischen, zuweilen offen kritischen Texten und Stumpens Fähigkeit extreme Tonhöhen zu erreichen ist Knorkator (um wie ein Nerd zu sprechen) mit Bertie Botts Bohnen jeglicher Geschmacksrichtung zu vergleichen. Für jeden ist sicher etwas dabei, man weiß nur nie vorher wann genau.
Ob der nun folgende Song etwas für euch ist, entscheidet selbst. In die Nerdimalismus-Playlist passt er auf jeden Fall…
Songanalyse
Song: Rette sich wer kann
Band/ Sänger*in: Knorkator
Album: Widerstand ist Zwecklos
Veröffentlichung: 13. September 2019
Mitglieder: Gero Ivers „Stumpen“ (Vocals), Alexander Thomas „Alf Ator“ (Keyboard, Vocals), Sebastian Baur „Buzz Dee“ (Gitarre), Rajko Gohlke (Bass), Nicolaj Gogow „Nick Aragua“ (Drums)
Songtext – Rette sich wer kann
Die Welt ist am Ende, kurz vorm Kollaps
Alle wissen Bescheid, nützt aber nix
Wir machen immer weiter, willenlose Junkies
Therapie is nich, der Arzt ist n Dealer
Wir liegen da und fressen, werden immer fetter
Der Fernseher läuft, alles ist gut
Die Farben leuchten, die Lichter funkeln
Und alles dreht sich zur Musik
So ist es perfekt, so soll es bleiben
Für immer Liebe, Spaß und Glück
Alle sitzen im Bus, Autobahn Vollgas
Da vorne is’n Abgrund, aber ist ja noch n Stück
Wir könnten auch abbiegen, tun wir aber nicht
Da ist ja nur n Sandweg, schlecht für die Achsen
Bloß nicht Anhalten, Leben heißt Gas geben
Kopf aus’m Fenster, hoch die Tassen
Die Farben leuchten, die Lichter funkeln!
Und alles dreht sich zur Musik!
So ist es perfekt, so soll es bleiben!
Für immer Liebe, Spaß und Glück!
Lasst uns trinken auf das Leben
Party, Action, auf die Fresse
Chaos, Schicksal, Raubtier, Beute
Vorwärts, Rückwärts, Stillstand, Ende
Ihr wollt immer reden, wir haben keinen Bock
Zeitverschwendung, alle andern sind doof
Lieber gleich losballern, besser als selber tot
Hauptsache schneller sein, rette sich wer kann
Jeder gegen Jeden, sowieso alles sinnlos
Maul halten Arschloch, selber keine Ahnung
We are the Champions, Smoke on the Water
Whole Lotta Rosie, Eye of the Tiger
Nut Bush City Limit, Tanz den Mussolini
Wir sind die Roboter, Kung Fu Fighting
I shot the Sheriff, Honky Tonk Woman
Stairway to Heaven, Seven Nation Army
Die Farben leuchten, die Lichter funkeln
Und alles dreht sich zur Musik
So ist es perfekt, so soll es bleiben
Für immer Liebe, Spaß und Glück
Songbedeutung – Rette sich wer kann
Fünf zu Drei für die Strophen vor dem Refrain. Das ist das Endergebnis der nüchternen Zählweise und beim Thema Endergebnis sind wir auch schon mittendrin in der Botschaft, Warnung oder auch ausgedrückten Resignation im Glauben an die Menschheit die uns Knorkator hier um die Ohren schlagen (in den Strophen) beziehungsweise in unsere Gehörgänge säuseln (in den Refrains). Doch langsam, gehen wir das gehörte nun einmal Schritt für Schritt durch und ziehen unser Fazit erst zum Schluss.
Die erste Strophe beginnt mit einer Zustandsbeschreibung die wohl viele, die zumindest mit offenen Augen durch die Weltgeschichte gehen, nachvollziehen können. Dabei werden verschiedene Themen zwar nicht deutlich artikuliert aber für das offene Ohr genau genug beschrieben um verständlich zu sein. Der besungene Abgrund oder auch Kollaps lässt sich leicht auf den Klimawandel und seine Folgen deuten, die willenlosen Junkies zeugen vom haltlosen Konsum der uns voran treibt (weiter Richtung Abgrund?!) und der Arzt ist ein Dealer der mehr daran interessiert scheint seine Honorarsubventionierten Pillen unters Volk zu bringen statt tatsächlich Leiden zu lindern. Doch uns kann es egal sein, lethargisch fressen (konsumieren) wir und werden trotzdem nicht satt (Notiz an mich selbst: Warum werden wir nicht satt? – Die Toten Hosen). Am Ende der ersten Strophe dann etwas versöhnliches denn „der Fernseher läuft, alles ist gut“.
Der folgende Refrain ist mit seinem völlig aus dem Zusammenhang gerissenem Stilwechsel dann unser aller (oder leider noch zu vieler) aktueller Gemütszustand der fast schon kindlich beschreibt wie blind und abgelenkt wir alle Warnzeichen ignorieren. Ein paar bunte Lichter, ein bisschen Musik und wir fühlen uns wie auf dem Rummel und sind besoffen von der Ablenkung.
Die zweite Strophe versinnbildlicht anschließend noch einmal die Abgrundsallegorie jedoch nicht ohne gleichzeitig auch als Kritik an unserem Autowahn verstanden zu werden. Wir rasen Richtung Abgrund und auch wenn wir könnten biegen wir nicht ab, denn die Abzweigung bedeutet Ungemütliches. Ganz getreu dem Motto „Ich geb‘ Gas, ich will Spaß“ ist das Leben doch nicht mehr als eine große Party.
Und diese Party führt wieder in die Ablenkung des Refrains mit seinen Lichtern und dem ewigen Kreisen (um uns selbst).
Anschließend folgt ein weiterer Stilbruch, denn die folgende Strophe sticht als Vierzeiler aus den ansonsten sechszeiligen hervor. Eine genaue Bedeutung hier herauszuhören oder zu lesen gestaltet sich dabei ungleich schwieriger als noch in den vorangegangenen, denn hier wird mit Begriffen nur so um sich geworfen die alle so vielschichtig sind das sie ein jeder auf seine eigene Art deuten mag. Hier deshalb dazu nur ein paar Denkanstöße die MIR in den Sinn kommen:
- Lasst uns trinken auf das Leben – ähnlich den Refrains eine sorglose Welt erleben
- Party, Action – auf die Fresse – Spaß um jeden Preis auch wenn es weh tut bzw man anderen Schmerz zufügt
- Chaos, Schicksal, Raubtier, Beute – Lethargie da unabänderlich, Raubtierkapitalismus
- Vorwärts, Rückwärts, Stillstand, Ende – Egal in welche Richtung, ohne Bedeutende Veränderungen (und Einschnitte in die Komfortzone) führt alles in den Abgrund
Es folgt eine Strophe der Ignoranz und Gewalt, denn wenn man den Spiegel vorgehalten bekommt neigt die Menschheit nun mal leider dazu statt Kritik anzunehmen, anderslautende Stimmen mundtot zu machen.
Die letzte Strophe vor dem abschließenden Refrain ist oberflächlich betrachtet eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von Songtiteln und stellt so einen erneuten Bruch in der Narrative dar. Blickt man jedoch dahinter ist sie die Summe aus der zuvor Schau gestellten Attitüde der Menschen und liest sich wie eine x-beliebige Tracklist aus irgendeinem Fetenhits-Sampler… Inhaltlich leer aber ablenkend.
Puh, was ein Brett und was ein Minimalismus-Metal-Musik-Montag… das dürfte meine längste Songbesprechung to date sein. Falls Sie euch gefallen hat oder auch wenn ihr etwas anders seht lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.
Ihr seid knorke und hier geht’s weiter mit den üblichen Links
Homepage: knorkator.de
Facebook: www.facebook.com/knorkatormusik
Youtube: https://www.youtube.com/user/knorkatorstumpen
Spotify: Künstler – Knorkator
0 Kommentare